Der Gesamtanlage der ehemaligen Militärkaserne in Zürich kommt laut der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) nationale Bedeutung zu. Dies geht aus einem Gutachten von 2001 hervor, in welchem die EKD deren militärische, städtebauliche und architektonische Bedeutung unterstrich. Die Kommission empfahl, den Gesamtkomplex zu erhalten und die einzelnen Bauten sorgfältig in Stand zu stellen. Sie schloss dabei eine Umnutzung und entsprechende Veränderungen und Ergänzungen von untergeordnetem Ausmass nicht aus, sofern mit einer schonenden Nutzung der bestehenden Substanz Rechnung getragen wird und die nicht im Sinn einer Verdichtung oder Erhöhung der Ausnutzung vorgenommen werden. Die Kommission mahnte an, dass «an Planung und Ausführung aller Massnahmen hohe denkmalpflegerische und architektonische Ansprüche zu stellen sind». Dies war für den Stadtzürcher Heimatschutz (SZH) sowie den Zürcher Heimatschutz (ZVH) Anlass, das Projekt der Umnutzung der Kaserne als Schulgebäude der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene (KME) eng zu begleiten
Seit Publikation des Vorentscheids im April 2021 war der Stadtzürcher Heimatschutz (SZH) mit dem Kanton, der kantonalen Denkmalpflege und mit den Architekten über Verbesserungen des Projekts im Gespräch. Kleine Anpassungen wurden auf Anregung der Experten des Stadtzürcher Heimatschutzes (SZH) aufgenommen. Im Innern entschied sich der Kanton zu ergänzenden Abklärungen schutzwürdiger Substanzen und in der Folge zu entsprechenden Projektänderungen. Hingegen zeigte sich der Kanton nicht bereit, auf den mächtigen Glasaufbau zu verzichten. Einzig eine Reduktion der Höhe um einen Meter von 6 auf 5 Meter wurde vorgenommen, dies freilich aus andern als denkmalpflegerischen Überlegungen. Die Gebäudehöhe mit dem mächtigen Glasaufbau auf dem Mittelrisalit beträgt insgesamt 28,2 Meter und wird damit zum Hochhaus. Damit überschreitet die Gebäudehöhe die revidierten Hochhausrichtlinien um 3,2 Meter, was nach Rechtskraft der revidierten Hochhausvorschriften nicht erlaubt wäre, wie die Bewilligungsbehörde im Baurechtsentscheid korrekt feststellte, dies aber auf unbegreifliche Weise als geringfügig abtat, als wäre es eine lästige Formalität.
Den gegen den Baurechtsentscheid am 17. Mai 2024 eingereichten Rekurs hat der Zürcher Heimatschutz (ZVH) nun unter Verzicht auf eine schriftliche Urteilsbegründung zurückgezogen. Zum Rückzug hat sich der Vorstand des Zürcher Heimatschutzes (ZVH) entschieden, da er aus den kommentierenden Anmerkungen des Baurekursgerichts am vor kurzem erfolgten Augenschein entnehmen musste, dass wenig Aussicht auf Erfolg bestehen werde und weil sich die Baudirektion auch nach dem Augenschein weiterhin einer Expertise durch die EKD verschloss, die mühelos vor dem schriftlichen Urteil hätte eingeholt werden können. Die Enttäuschung über diese Entwicklung ist beim Stadtzürcher und Zürcher Heimatschutz gross. Denn es existiert in Zürich kein Bauwerk aus der Epoche des Historismus mehr, das in seiner ursprünglichen Bauweise noch annähernd so gut erhalten geblieben ist wie die Militärkaserne. Das Landesmuseum sowie der Hauptbahnhof Zürich wurden durch An- und Ergänzungsbauten sehr stark verändert. Ebenso wird die denkmalpflegerische Substanz der Roten Fabrik im Rahmen der Instandsetzung nach dem Brand von 2012 durch Aufbauten erheblich beeinträchtigt.
Die beiden Verbände hatte beim Kasernenprojekt insbesondere irritiert, dass die denkmalpflegerischen Abklärungen erst begannen, nachdem der Architekturwettbewerb bereits durchgeführt worden war und das Ergebnis feststand. Der Charakter des Baukomplexes aus den Jahren 1873-75 wird durch den mächtigen Glas-Aufsatz und die damit verbundenen erheblichen Veränderungen im Innern des Mitteltrakts des Gebäudes massiv verändert. Experten aus dem In- und Ausland waren über diese Pläne entsetzt. Bereits vor Einreichung des Rekurses und erneut in ihrem Rekurs hatten die beiden Verbände gefordert, dass die EKD mit einem Gutachten zum vorliegenden Projekt betraut werde. Doch lange gingen die kantonalen Amtsstellen auf den Vorschlag der beiden Verbände nicht ein, um ihn schliesslich abzulehnen.
Eine Beurteilung durch die EKD zum Umbauprojekt hätte viel schneller vorgelegen als ein Entscheid des Gerichts. Zudem hatten der Stadtzürcher und Zürcher Heimatschutz angekündigt, sich dem Ergebnis der Abklärungen durch die EKD zu fügen. Der Stadtzürcher und der Zürcher Heimatschutz gerieten durch die Weigerung der Amtsstellen in ein Dilemma. Sie fühlen sich einerseits der Verteidigung des baukulturellen Erbes verpflichtet, was namentlich bei einem Baudenkmal von nationaler Bedeutung wie der Kaserne schwerwiegt. Anderseits sind sich die beiden Verbände bewusst, dass ein langer Rechtsstreit mit unsicherem Ausgang bis vor Zürcher Verwaltungsgericht, was vorliegend unvermeidlich gewesen wäre, oder gar weiter, das Projekt der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene gefährdet hätte. Als privater Verein musste der Zürcher Heimatschutz (ZVH) in der vorliegenden Sache die Grenzen seiner Möglichkeiten erkennen. Dies nicht zuletzt auch im Interesse unzähliger weiterer Baudenkmäler, für deren Schutz es die Aufgabe des Heimatschutzes ist einzustehen.
Prof. Dr. Martin Killias, Präsident Zürcher Heimatschutz ZVH
079 621 36 56, martin.killias(at)unisg.ch