Medienmitteilung
Pfauensaal des Zürcher Schauspielhauses
Pfauensaal des Zürcher Schauspielhauses. Foto: Mara Truog

Zerstörung des Pfauensaals? – ein Akt der Ignoranz

Der Theatersaal des Zürcher Schauspielhauses ist bis heute in seiner ursprünglichen räumlichen Gestaltung gut erhalten geblieben. Er ist das bedeutendste künstlerische Denkmal aus der Zeit der geistigen Landesverteidigung, die auf den Brettern des Theaters inszeniert und gelebt worden ist. Er ist ein Identifikation stiftender Ort. Dennoch plant der der Stadtrat dessen Zerstörung und Totalersatz und will seine Entlassung aus dem kommunalen Schutzinventar besiegeln.

Der Stadtrat verfolgt das Ziel eines Ersatzneubaus seit mehr als zwei Jahren mit grosser Energie. Er fokussiert auf technische Mängel und will sie mit technischen Mitteln beheben. Als die Stadt die Kooperation mit der Masterklasse Architektur der ETH Zürich suchte, stand 2018/2019 nur der Ersatzneubau zur Diskussion. Entsprechend lösten die Teams auch nur diese Aufgabe. Eine Zusammenarbeit etwa mit der Denkmalpflege und Bauforschung der ETH Zürich hätte zur Erhaltung des Saals spannende andere Hinweise bringen können, wurde aber nicht nachgesucht.

Das Gutachten

Dass es allein um einen Ersatzneubau geht, zeigte sich von Beginn auch am dürren denkmalpflegerischen Gutachten der Stadt, das als Basis für die Inventarentlassung diente. Es widmet sich auf 26 Seiten dem Pfauenkomplex und auf nur gerade fünf Seiten inklusive Fotos dem Theatersaal und seiner bauhistorischen und baukünstlerischen Bedeutung. Solch magere Gutachten haben inzwischen auch vor den Gerichten keinen Bestand mehr. Der Heimatschutz hat die Vermutung, dass ein spezifisch zum Theatersaal erstelltes umfangreiches Gutachten schubladisiert worden ist, wohl weil es sich zu den Abbruchplänen des Stadtrats quer gestellt hat.

Magie des Orts

Die lange Reihe von Autoren, die für ihre Uraufführungen die Pfauenbühne wählten, spricht Bände über den Zauber dieses Saals. Friedrich Dürrenmatt brachte seine Dramen zur Erstaufführung auf die Pfauenbühne. Als erfahrener Theatermann stellte er fest «Das Schauspielhaus ist gerade durch seine Unvollkommenheit ein vollkommenes Theater, und ich liebe es deshalb auch mehr als andere Häuser.» In einen Neubau lässt sich weder eine Tradition noch die Imagination früherer Vorstellungen noch Aura und künstlerische Inspiration einbauen. Wieviel es mit der Aura eines Theaterraums auf sich hat, zeigt sich am Beispiel von Bertolt Brecht, des deutschen Schriftstellers, der gleichzeitig auch Regie führte. Die DDR hätte ihm jedes beliebige Theater neu gebaut und nach seinen Wünschen eingerichtet. Brecht bevorzugte für sein Ensemble das Theater am Schiffbauerdamm, das heutige Berliner Ensemble. Ein reales Haus kann nicht zerstört werden und danach als Symbol weiterleben. Dazu haben sich die Gerichte bereits geäussert: Es entspreche einer Erfahrungstatsache, dass von einer Ersatzbaute nicht dieselbe Wirkung auszugehen vermöge wie von einer renovierten Altbaute.

Einzigartiger Bauzeuge der Schlichtheit und der Stromlinien-Moderne

Ferdinand Rieser gelangte 1922 in den Besitz des Pfauen. Er beauftragte die illustren Architekten Otto Pfleghard und Max Haefeli mit dem Bau eines neuen Theatersaals. Die Eröffnung folgte im Jahr 1926. Auf geniale Weise integrierte später Otto Pfleghard alleine den neuen Saal unter weitgehender Schonung der Bestandessubstanz in die tragende Struktur des Gebäudes. Auf die bis in die 1950er Jahre gepflegte historisierende Bauweise wurde verzichtet: keine Architekturdekoration, nichts Bombastisches, keine grandiosen Schautreppenanlagen, dafür eine neue und anziehende Sachlichkeit und eindrückliche Schlichtheit. Der Theatersaal von Pfleghard/Haefeli ist ein Vorläufer späterer Purifizierungen in anderen Theaterbauten. Der einzige baukünstlerische Schmuck des Pfauensaals sind die Stromlinien an der Decke. Diese Linienform zeichnet die Balkonbrüstung und die Abtreppung der Sitzreihen auf der Galerie nach. Die geschwungene Linie findet sich in der Form des Saals und in der Rundung der Sitzreihen im Parkett. Es ist wohl der einzige Theatersaal, der als Repräsentant der Stromlinien-Moderne bis heute erhalten geblieben ist.

Theatersaal von nationaler Bedeutung

Der Theatersaal gehört zu den bedeutenden Bauten im Werk der Architekten Pfleghard und Haefeli. Angesichts seiner baukünstlerischen und theaterhistorischen Bedeutung, seiner Magie und seiner singulären Zeugenschaft als freie Bühne im Widerstand gegen das Naziregime im Zweiten Weltkrieg spricht sich der Zürcher Heimatschutz für dessen Renovation aus. Der Heimatschutz wird sich weiterhin gerichtlich dafür einsetzen, dass der Theatersaal des Zürcher Schauspielhauses erhalten bleibt.

Kontakt

Evelyne Noth, Präsidentin Stadtzürcher Heimatschutz
043 233 00 22kontakt(at)heimatschutzstadtzh.ch

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Zerstörung des Pfauensaals? – ein Akt der Ignoranz
Medienmitteilung vom 18. November 2020